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Geologischer Schnitt Bohrung Bocholt-Mussum

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Kernbohrungen 2022

Aktuelles am laufenden Meter

Nach der Ende 2021 gestarteten und im März 2022 abgeschlossenen Bohrung Düsseldorf-Messe geht es im April gleich weiter. Im westlichen Münsterland erkunden wir mit der Bohrung Bocholt-Mussum die Lockergesteine des Quartärs und Tertiärs, also Sedimente der jüngeren Erdgeschichte bis vor mehr als 20 Millionen Jahren. Von besonderem Interesse sind die Meeresablagerungen der miozänzeitlichen Breda-Formation. Die gewonnenen Daten benötigen wir für die geologische Landesaufnahme. Die Bohrung dient dabei als Referenzprofil für die Schichtenfolge des Miozäns.

Bohrkerne liefern ein naturgetreues Abbild der durchbohrten Schichten und damit ungestörte Proben. Sie ermöglichen eine genaue Untersuchung von unzugänglichen Gesteinsschichten. Sie bringen neue Erkenntnisse über den Aufbau, die Mächtigkeiten und die Lagerung der Gesteine im Untergrund sowie über die erdgeschichtliche Entwicklung einer Region. Unsere Geowissenschaftler*innen beschreiben die Bohrkerne detailliert und nehmen Proben zur Untersuchung ihres Alters sowie ihrer geochemischen und -physikalischen Eigenschaften: zum Beispiel Mineralzusammensetzung, Korngröße, Porosität, Wärmeleitfähigkeit. Die gewonnenen Daten und die hieraus abgeleiteten geologischen Karten und 3D-Modelle sind wichtige Grundlagen für die ressourcenschonende und nachhaltige Landes- und Regionalplanung. Sie liefern unverzichtbare Informationen beispielsweise für die Erdwärmenutzung, den Grundwasserschutz oder zum Erkennen und zur Abwehr potenzieller Geogefahren.

Kernbohrung Bocholt-Mussum

Referenzbohrung für die geologische Landesaufnahme

Im Untergrund von Bocholt sind die marinen Ablagerungen der Breda-Formation flächenhaft verbreitet. Doch nur in der schmalen Zone des Bocholter Grabens – mit etwa 700 Meter Breite im Bereich der Bohrung – ist diese Schichtenfolge aus der jüngeren Tertiär-Zeit vermutlich nahezu vollständig erhalten. Mit der voraussichtlich 130 Meter tiefen Bohrung wollen wir sie möglichst komplett erbohren. Die Schluffe und Feinsande der Breda-Formation wurden vor etwa 19 bis 6 Millionen Jahren in einem flachen Meer abgelagert. Außerhalb der Grabenstruktur sind die jüngeren Schichten dieser Formation abgetragen. In den tieferen Horizonten der Schichtenfolge findet sich eine reiche Fossilfauna: Seeigelstacheln, Muscheln, Schnecken, Haifischzähne sowie verschiedene Mikrofossilien.

Folgenden Fragen gehen unsere Geowissenschaftler*innen nach: Wie mächtig ist die Grabenfüllung? Wie mächtig sind die einzelnen Schichtpakete aus Schluff und Feinsand? Wie sehen die Übergänge zwischen den einzelnen Schichten und zu den darunter lagernden mehr als 23 Millionen Jahre alten Sanden der oligozänzeitlichen Grafenberg-Formation aus? Welche Rückschlüsse lassen sich aus der Schichtenfolge und den darin enthaltenen Fossilien über den damaligen Ablagerungsraum ziehen – einem flachen, zeitweise subtropischen Meer, das an den Küsten von Sumpfwäldern mit Mammutbäumen und Palmen begrenzt wurde?

Über den Sedimenten der Tertiär-Zeit liegen etwa 20 Meter mächtige, quartärzeitliche Geröllablagerungen des Rheins und seiner Nebenflüsse – Zeugen des eiszeitlichen Klimas.

 

April 2022

27.04.: „Vor der Hacke ist es duster.“ Dieser Bergmannsspruch gilt auch für uns. Es ist immer spannend, was uns bei einer Bohrung in unbekanntem Untergrund erwartet und welche Tücken dort lauern. Die Bohrung in Bocholt-Mussum ist ein Paradebeispiel dafür. In der Annahme, die Breda-Formation in der Grabenstruktur möglichst vollständig anzutreffen, sollte die Kernbohrung ein Referenzprofil dieser miozänzeitlichen Schichtenfolge liefern. Doch die Geologie hat uns hier einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Keinen einzigen Meter dieser Formation hat die Bohrung ans Tageslicht gebracht. Stattdessen unerwartet mächtige quartäre Lockersedimente mit nordischen Geschieben und umgelagerten älteren Sedimenten. Erst in 88,5 Meter Tiefe haben wir das Tertiär erreicht. Jedoch keine Meeresablagerungen aus dem Miozän, sondern noch ältere aus dem Oligozän. Die in den tonigen Schluffen enthaltenen Nannofossilien ergeben eine Datierung in die mehr als 28 Millionen Jahre alte Rupel-Formation. Da in den folgenden 100 Metern ein Durchteufen der Rupel-Formation nicht zu erwarten ist, haben wir die Bohrung bei 92 Metern beendet.

Wie ist nun diese unerwartete Schichtenfolge zu deuten? Unsere Schlussfolgerung ist, dass wir eine bislang unbekannte eiszeitliche Rinne erbohrt haben. Sie stellt uns nun vor neue Fragen: Wie verläuft sie, wo fängt sie an, wo hört sie auf? Und endet der Bocholter Graben bereits weiter nördlich? Antworten werden wir mithilfe weiterer Untersuchungen und Auswertung der Daten finden. Hierzu gehören auch die geophysikalischen Messungen, die nun noch abschließend im Bohrloch durchgeführt werden. In jedem Fall gewinnen wir auch mit dieser Bohrung neue wichtige Erkenntnisse über Aufbau und Lagerung der Schichten in dieser geologisch spannenden Region.

Sediment der Rupel-Formation aus der Bohrung Bocholt-Mussum und darin enthaltene kalkige Nannofossilien

Meeresablagerung aus dem Oligozän und darin enthaltene kalkige Nannofossilien (v.l.): Das Auftreten der Nannofossil-Form rechts außen ist auf die Rupel-Formation beschränkt, was mit den Erkenntnissen aus der Bohrung Düsseldorf-Messe korreliert.

Bohrung Bocholt-Mussum: prognostiziertes Bohrprofil und Bohrergebnis

Prognostisches Bohrprofil im Vergleich zu den erbohrten Schichten

14.04.: Es gibt eine faustdicke Überraschung. Tobias, unser Experte für Nannofossilien, kann belegen, dass die vermeintlich tertiären Schluffe und Feinsande doch viel jünger sind und erst in der Quartär-Zeit abgelagert wurden. Es klingt paradox, aber ausgerechnet die fossilen Kalkreste mikroskopisch kleiner, einzelliger Algen aus älteren Erdzeitaltern, wie zum Beispiel Formen aus der Kreidezeit, sind der Beleg hierfür. Wie kann das sein? Während der Saale-Kaltzeit vor etwa 250 000 Jahren schoben sich Gletscher aus Skandinavien kommend bis ins Münsterland und an den Niederrhein vor. Die Gletscher und deren Schmelzwässer trugen unterschiedliche Gesteine und die darin enthaltenen Fossilien ab und lagerten sie an anderer Stelle wieder ab. Mit im Gepäck hatten die Gletscher auch nordische Gerölle, wie Granitkieselsteine. Von 36 bis 46 Meter Tiefe tauchen diese wiederholt in der Bohrspülung auf und untermauern die quartärzeitliche Alterseinstufung. Da das Bohrloch verrohrt ist, können diese nicht aus den höheren jüngeren Schichten nachgefallen sein.

Ab 46 Meter Tiefe folgen Feinsande, die teilweise Muscheln und Holzreste enthalten. Kiese sind bis 60 Meter Tiefe nicht mehr dabei. Ob wir nun die mit Spannung erwarteten tertiärzeitlichen Meeresablagerungen erreicht haben? Mal sehen, was die nächsten Bohrmeter zutage bringen und was uns die Fossilien über das Alter der Sedimente verraten. Dazu dann mehr nach Ostern. :-)

Quartäre Ablagerung aus 43 Metern der Bohrung Bocholt-Mussum

Blick in die schützende Kernrohrhülle mit feinsandigem Schluff der Quartär-Zeit aus 43 Metern Tiefe. Im Sediment steckt ein Kieselgeröll.

quartärzeitliche Kieselsteine aus der Bohrung Bocholt-Mussum

Kieselsteine mit teilweise nordischer Herkunft belegen die quartärzeitliche Ablagerung.

07.04.: Die letzten Meter des Quartärs werden als ungestörte Proben gewonnen. Hierfür wurde auf Rammkernbohren umgestellt. Die Lockersedimente kommen nun in ungestörter Lagerung, umhüllt von schützenden Linern zutage. Bei 21 Metern haben wir mit glaukonit- und kalkhaltigem feinsandigem Schluff und schluffigem Feinsand die tertiärzeitlichen Ablagerungen der Nordsee erreicht. Viele Jahrmillionen konnte sie weit nach Süden vordringen, weil sich der Bereich des Niederrheinisches Tieflandes und der Niederrheinischen Bucht absenkte. In unserem Labor wird das Sediment aufbereitet und auf darin enthaltene Mikro- und Nannofossilien untersucht. Sie werden uns das Alter dieser Meeresablagerungen verraten.

tertiärzeitliche Meeresablagerungen aus 22 Metern

Schluffiger Feinsand aus 22 Metern Tiefe – die Ablagerungen der tertiärzeitlichen Nordsee sind erreicht.

Quartäre Lockersedimente der Bohrung Bocholt-Mussum in schützenden Linern

Unsere Geologin Linda schaut sich die Basis der quartären Flussablagerungen an, die am unteren Ende des schützenden Liners zu sehen ist.

06.04.: Mit Schneckenbohrer und – ab Erreichen des Grundwassers – mit der Schlammbüchse sind wir heute durch die quartärzeitlichen Lockersedimente bis in eine Tiefe von 15 Metern vorgedrungen. Die nach unten zunehmend kiesigen Sande mit steinreichen Kieslagen haben Rhein und seine Nebenflüsse vor Jahrtausenden abgelagert. Durch das Wechselspiel von warmen und kalten Klimaphasen, in denen die Flüsse mal weniger, mal sehr viel mehr Wasser führten, entstanden Terrassen aus Flussgeröllen. Diese Flussterrassen liegen höher als die heutigen Talböden. Ab 5 Meter Tiefe kommen in diesen Sedimenten zahlreiche umgelagerte tertiäre Schnecken- und Muschelschalen zum Vorschein. Auch nordische Gerölle kommen in großer Vielfalt ans Tageslicht.

Die ersten 15 Meter in Bocholt-Mussum mit Schneckenbohrer und Schlammbüchse gebohrt; kleine Schnecken- und Muschelschalen (v.l.).

Mit Schneckenbohrer und Schlammbüchse haben wir die quartärzeitlichen Lockersedimente erbohrt. In den Sanden befinden sich viele kleine Schnecken- und Muschelschalen.

Nordische Gerölle

Nordische Gerölle, unter anderem Granite und Gneise

04.04.: Das Bohrgerät steht. Sobald der Bohrplatz eingerichtet ist, kann es losgehen.

Bohrplatz Bocholt-Mussum

Der Bohrplatz in Bocholt-Mussum wird eingerichtet.

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