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Eine spannende Erkundungsbohrung östlich von Detmold ist etwas Besonderes. Sie soll in erster Linie Aufschluss über die Vegetation und das Klima vor rund 1 Million Jahren geben. Danach geht es weiter mit Kernbohrungen für unsere aktuellen Projekte der integrierten geologischen Landesaufnahme. Für das Projekt Ruhrgebiet Nord wollen wir in Schermbeck Fragen zur Abfolge und Lage von Sedimenten klären, die während der letzten Kaltzeit abgelagert wurden.
Bohrkerne ermöglichen eine detaillierte Beschreibung der Gesteine und die Untersuchung ihres Alters sowie ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften. In digitalen geologischen Karten stehen die ausgewerteten Geodaten für die Anwendung in der Praxis bereit: beispielsweise zur Erdwärmenutzung, zum Grundwasserschutz oder zur Gefahrenabwehr.
Auf dem Weg in den Untergrund werden hier Schichten durchbohrt, die Ablagerungen eines wohl etwa 200 000 Jahre alten eiszeitlichen Stausees enthalten. Darunter geht es mehr als 80 Millionen Jahre zurück in die Erdgeschichte, in die Ablagerungen eines Meeres, das in der Kreide-Zeit unsere Region beherrschte. Die Geologie an unserem Bohrplatz ist sehr kompliziert, aber ungemein spannend!
15. August: Die 85 Bohrkerne sind bereits in unserem Bohrkernarchiv in Krefeld angekommen. Dort wurden die Kunststoffrohre, die das gekernte Lockergestein schützen, aufgeschnitten. So sind die Bohrkerne für den nächsten Arbeitsschritt, ihre detaillierte Beschreibung, gut vorbereitet.
7. August: Drei Wochen nach Bohrbeginn wird das Bohrloch wieder verfüllt und nach oben hin mit Ton abgedichtet. In 85 m Bohrtiefe und mit der Haltern-Formation haben wir unser Bohrziel erreicht. Kollegen aus der Geophysik haben mit speziellen Sonden das Bohrloch noch geophysikalisch vermessen. Mit diesen Daten können in nicht gekernten Bohrlöchern einzelne Horizonte korreliert werden.
2. August: Mittlerweile sind wir bei 76 m Tiefe angekommen. In den Bohrkernen befinden sich die unverfestigten Meeressande der Haltern-Formation. Diese etwa 84 Millionen Jahre alten „Halterner Sande“ wurden in Küstennähe während der Oberkreide-Zeit abgelagert.
31. Juli: Meter für Meter durch den kreidezeitlichen Meeresgrund...
Bei etwa 69 m deutet sich mit zunehmendem Sandanteil der Schichtwechsel zur Haltern-Formation an.
29. Juli: Es geht gut voran! Wir haben mehr als 50 m Tiefe erreicht. Unter 26 m kiesigem Sand aus der letzten Kaltzeit beginnen die vermuteten Eisstauseeablagerungen. Es stellt sich heraus, dass diese feinkörnigen Ablagerungen 10 m mächtig sind!
Anschließend stieß der Bohrer – sozusagen mit einem großen Zeitsprung rückwärts – schon auf Meeressedimente aus der Kreide-Zeit: sandiger Mergel aus der sogenannten Bottrop-Formation.
Eine Probe wurde bereits bei uns in Krefeld unterm Mikroskop untersucht und zeigt:
Es handelt sich bei den durchbohrten Sandmergelschichten um ehemaligen Meeresboden aus dem Untercampan vor rund 82 Millionen Jahren!
Auf dem Bild sieht man Coccolithen. Das sind Überreste mariner, einzelliger Algen.
18. Juli: Unsere Geologen Bastian und Andreas begutachten die Lockergesteine aus dem Bohrmeter 18 und prüfen den Kalkgehalt mit der Säureprobe. In dem Bohrabschnitt finden die beiden kiesige Sande der „Niederterrasse“. Diese sind Flussablagerungen der „Ur“-Lippe aus den letzten rund 100 000 Jahren.
15. Juli: Der Bohrplatz ist eingerichtet. Bereit liegen die Rohre, die nach und nach übereinandergeschraubt, den Bohrstrang bilden, in dem das eigentliche Kernrohr weiter in den Boden getrieben wird. Die ersten Bohrmeter kommen bereits ans Tageslicht. Wir hoffen, dass die Bohrung gut vorangeht.
Das Rammgewicht – 300 kg schwer! – schlägt auf das Kernrohr, um den nächsten Meter „auszustechen“.
Der sogenannte Fänger „schnappt“ sich das Bohrgut und hält es beim Hochziehen fest in der Kunststoffhülse. So kann das Probenmaterial gesichert werden.
Das sanfte Hügelland bei Detmold verbirgt einen Schatz: ein Klimaarchiv aus dem frühen bis mittleren Eiszeitalter des Quartärs, also aus dem Unter- und Mittelpleistozän. Proben aus bis zu 30 m tiefen Vorbohrungen sind bereits dem Cromer-Komplex zuzuordnen und damit mindestens 500 000 Jahre alt. Ob die darunter liegenden Sedimente bis zum Beginn des Quartärs vor 2,6 Millionen Jahren reichen, ist noch ein Geheimnis. Dieses wollen wir mit den Bohrkernen lüften und die Entstehungsgeschichte der Seeablagerungen enträtseln.
So viel ist sicher: Dieses einmalige Klimaarchiv liegt in der Senke von Mosebeck. Hier hat sich das Gelände durch Auslaugung des tief im Untergrund liegenden Salzgesteins über einen langen Zeitraum nach und nach gesenkt. In dieser sogenannten Subrosionssenke bildete sich ein See, an dessen Grund sich feinkörniges Sediment ablagerte.
In den tonigen Seesedimenten blieben Reste von Muschelkrebsen, Kieselalgen, Pollen und Sporen erhalten. Diese Fossilien „erzählen“ von den Umweltbedingungen zum Zeitpunkt ihrer Sedimentation. Sie sind Indikatoren für die Wasser- und Lufttemperatur, für die Wassertiefe des Sees und für die Vegetation der Umgebung. Zusätzlich liefern die mineralischen Komponenten des Sediments Hinweise zur Entstehungsgeschichte – Schicht für Schicht.
19. August: In kleinen Tütchen abgepackt, sind die ersten Proben im pollenanalytischen Labor angekommen. 1700 werden es ingesamt sein, denn beprobt wird in Abständen von mindestens 10 cm. Zunächst wird der Probeneingang dokumentiert. Nach ihrer Aufbereitung im Labor geht es weiter mit dem Auszählen und Bestimmen der Mikrofossilien unter dem Mikroskop, 500 Pollen je Probe sollten es sein. Viel Arbeit, die bevorsteht. Sie ist aber erforderlich, um die Auswirkungen der Warm- und Kaltzeiten und die Folgen der wechselnden Umweltbedingungen auf Vegetation und Lebensräume im Laufe der jüngeren Erdgeschichte genau zu studieren. In jedem Fall werden die gewonnenen Erkenntnisse zum besseren Verständnis der Klimageschichte beitragen.
16. August: Daniel, der als Geologe die Bohrung fachlich betreut, nimmt von oben nach unten die Bohkerne systematisch auf. Das heißt, er beschreibt das Gestein nach Farbe und Korngröße und macht auch Skizzen, z. B. zu einer auffälligen Lagerung der Schichten oder zu eingelagerten Mineralien und Fossilien. "Auf den ersten Blick denkt man, das sind relativ monotone graue Tonabfolgen. Beim genauen Hinsehen entdecke ich so viele Feinheiten und Unterschiede. Ich bin begeistert und sehr gespannt auf die Untersuchungsergebnisse aus der Mineralogie und Pollenanalyse."
Vivianit, auch Blaueisenerde genannt, ist ein Phosphatmineral, das in Ton und Torf entsteht.
Geschafft: sensationelle 170 Bohrmeter – mit Bohrkernen komplett aus dem Quartär. An keiner anderen Stelle in Nordrhein-Westfalen wurden aus dieser Zeit bislang mächtigere Ablagerungen erbohrt. Ein Rekord!
Die Bohrkerne bieten damit die einmalige Chance, diesen relativ alten Zeitabschnitt des Quartärs sehr genau zu untersuchen.
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