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„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“ So steht es im Vorwort zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie EG-WRRL aus dem Jahr 2000. Sie schreibt vor, dass bis spätestens 2027 Flüsse, Seen, Übergangs- und Küstengewässer sowie Grundwasser in einem „guten chemischen Zustand“ sein sollen. 2015 traf dies jedoch auf rund 40 Prozent der Grundwasserkörper und 5 Prozent der Oberflächengewässer noch nicht zu.
Dass die Maßnahmen der WRRL noch nicht überall die ausreichende Wirkung erzielen, liegt vor allem an der hohen Nitrat- und Phosphorbelastung des Grund- und Oberflächenwassers durch die Einträge aus der Landwirtschaft. Zudem kann ein Erreichen der Ziele durch die Fließ- und Verweilzeiten des Sicker- und Grundwassers verzögert werden. Sind diese sehr lang, kann das zu einem erheblichen Zeitverzug bis zum messbaren Erfolg einer Maßnahme führen. Die flächenhafte Ermittlung der Fließ- und Verweilzeiten ermöglicht Prognosen, wann messbare Verbesserungen des Wasserzustandes erreicht werden können.
Das Ziel des vom Umweltministerium NRW in Auftrag gegebenen Kooperationsprojektes GROWA+ NRW 2021 war die Regionalisierte Quantifizierung der diffusen Stickstoff- und Phosphoreinträge ins Grundwasser und die Oberflächengewässer Nordrhein-Westfalens. Von Ende 2015 bis Ende 2019 brachten hierfür die folgenden 5 Projektpartner fachübergreifend ihre Kompetenzen ein:
Die jeweilige Expertise der Projektpartner bei den verschiedenen Teilaufgaben des Projektes sorgte für bestmögliche Ergebnisse. Eine der Teilaufgaben bestand in der oben genannten Ermittlung der Fließ- und Verweilzeiten des Sicker- und Grundwassers.
Die Ermittlung der Fließ- und Verweilzeiten (Reaktionszeiten) ermöglicht eine regional hochauflösende Berechnung der flächenhaften Stickstoff- und Phosphoreinträge aus der Landwirtschaft. Die Reaktionszeiten ermöglichen Rückschlüsse darauf, wie lange ein mit Stickstoff oder Phosphat beaufschlagter Wassertropfen vom Eintritt in den Boden bis zum Vorfluter oder zur Messstelle braucht. Hierfür wurde das gesamte Wasserhaushalts-Wirksystem erfasst und abgebildet. Vom Standort mit dessen Nutzung und Stoffbilanz ausgehend, wurde der Weg über die Bodenoberfläche in den Boden, in die tiefere ungesättigte Zone bis in das Grundwasser, die Grundwassermessstelle oder den Vorfluter verfolgt.
Räumlicher Bezug für die Verweil- und Fließzeitenermittlung auf Grundwasserkörper-Ebene (nach LANUV-Fachbericht 110, Teil III)
Der Wasserhaushalt endet nicht in der Wurzelzone, sondern reicht über den wasserungesättigten Bereich des Bodens und Gesteins bis in den Grundwasserkörper. Der GD NRW brachte daher in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Bodenkunde, Geologie und Hydrogeologie sein Know-how ein. Die Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler werteten Karten und Datenbanken aller genannten fachlichen Disziplinen flächendeckend in der aktuell vorliegenden Version aus und lieferten den Projektpartnern damit einen Best-of-Datensatz. Dieser diente als Basis für die Modellierung des Wasserhaushaltes auf und im Boden sowie des Transportweges des Niederschlagswassers bis in das Grundwasser und im Grundwasserraum.
Die landesweit einheitliche Modellierung des Wasserhaushaltes basierte auf einem 100-Meter-Raster und rechnete mit den täglichen Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes am Standort. Die Ergebnisse wurden dann auf den 30-Jahreszeitraum 1981 bis 2010 aggregiert. Vorhandene Modelle, die anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und Verfahren nutzen, wurden an die Daten zu Boden, Geologie, Hydrogeologie, Klima, Vegetation, landwirtschaftlicher Nutzung, Siedlungswasserwirtschaft sowie an Geländemodelle angepasst. Damit konnte die Wirkung der vielen Einflussgrößen auf die Vorgänge möglichst genau erfasst werden. Die Daten und Auswertungen ermöglichten insbesondere die Modellierung der Verweilzeiten des Sickerwassers in der ungesättigten Zone und der Fließzeiten des Grundwassers in NRW.
Die Hauptarbeitsschritte der Modellierung:
In Abhängigkeit von den Boden- und Gesteinseigenschaften sowie der Mächtigkeit der durchströmten Schichten können die Reaktionszeiten bis zu 25 Jahre und mehr umfassen. Besonders lange Zeiten werden in den Bereichen mit mächtiger Lössbedeckung und großem Abstand zwischen der Gelände- und der Grundwasseroberfläche erreicht, beispielsweise in der Kölner Bucht. Reaktionszeiten von weniger als 2,5 Jahren wurden vor allem im Rheinischen Schiefergebirge sowie für die Regionen ermittelt, in denen in den Grundwasserkörpern verkarstete Kalksteine dominieren.
Die Verweil- und Fließzeit des Sicker- und Grundwassers, also der Zeitraum von der Einsickerung in den Boden bis zum Austritt in ein Oberflächengewässer (a = Jahr).
GROWA+ NRW 2021 liefert damit unter anderem eine solide Datenbasis für Rückschlüsse auf potenzielle Stickstoff- und Phosphoreinträge in das Grundwasser und die Oberflächengewässer. Die Modellierung ermöglicht Prognosen, ob und wann die WRRL-Ziele erreicht werden. Lässt sich belegen, dass die verzögerte Wirkung auf natürlichen Standortfaktoren beruht, kann die in der Richtlinie vorgesehene Fristverlängerung greifen. Eine weitergehende oder alternative Maßnahme ist dann vorerst nicht notwendig.
Insgesamt unterstützen die Ergebnisse des Kooperationsprojektes das Land NRW bei der Erfüllung der Anforderungen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.
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