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Ein Hilferuf der Biologischen Station des an der deutsch-niederländischen Grenze im Kreis Borken gelegenen Zwillbrocker Venns erreichte Anfang 2020 den GD NRW. Von 2017 bis 2019 trocknete das zu großen Teilen unter Naturschutz stehende Wald-, Moor-, Feuchtwiesen- und Gewässergebiet nahezu aus. „Als wir uns daraufhin vor Ort ein Bild machten, konnten wir trockenen Fußes durch den Lachmöwensee gehen“, berichtet Hydrogeologe Dominik Wesche. „Denn der trocknet seit 2018 jeden Sommer vollständig aus.“ Zusammen mit seiner Kollegin Almuth McLeod, die beim GD NRW für die Moorbodenkartierung zuständig ist, koordinierte Wesche die nun folgenden Arbeiten.
Ursprünglich war das Zwillbrocker Venn ein Hochmoor, also ein aufwachsendes Moor, das sich aus Niederschlagswasser speist. Die Bodenkartierung des GD NRW belegte bereits vor einigen Jahren, dass es sich inzwischen aus dem Grundwasser speist. Es handelt sich also heute um ein Niedermoor – vor allem durch Abtorfung bis in die 1970er-Jahre herbeigeführt. Umso gravierender sind die Folgen des sinkenden Grundwasserspiegels. Durch das Austrocknen wird unter anderem der Lebensraum von Brut- und Rastvögeln in dem Europäischen Vogelschutzgebiet stark beeinträchtigt. „Setzt sich diese Entwicklung fort, ist langfristig der Verlust der wertvollen Moor-Lebensraumtypen, des Moorwaldes und der Feuchtheide zu befürchten“, erklärt McLeod.
Um eine Strategie für den Erhalt des Zwillbrocker Venns zu entwickeln, wurden alle verfügbaren geologischen und hydrogeologischen Daten und Karten gesichtet; gemeinsam mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) wurde die Datenlage ausgewertet. Wegen der besonderen Lage des Venns an der Landesgrenze wird das Projekt zusätzlich durch den niederländischen geologischen Dienst TNO unterstützt. „Die bereits vorhandenen Messstellen des LANUV zeigten einen Abfall des Grundwasserspiegels um einen Meter seit 2017“, erläutert McLeod. Doch nicht nur der Klimawandel mit den langen und trockenen Sommern der letzten Jahre scheint der Grund dafür zu sein.
Der ausgetrocknete Boden des Lachmöwensees
Soweit bekannt, befindet sich das Venn auf gut durchlässigen quartärzeitlichen Flug- und Talsanden, die bis über 200 000 Jahre alt sind. Diese lagern auf mehr als 10 Millionen Jahre alten Schichten des Tertiärs. „Wir vermuten, dass während der großen Vereisungsphase der Saale-Kaltzeit ein Gletscher über die nur gering durchlässigen Schluffe und Tone des Tertiärs hinweggezogen ist. Dieser hat hier an seiner Basis durch abschmelzende Wässer eine Erosionsrinne ausgeräumt, die anschließend durch gut durchlässige Sedimente wieder gefüllt wurde“, erklärt Wesche.
Die geowissenschaftlichen Daten bestätigen die Vermutung: Im Untergrund des Zwillbrocker Venns erstreckt sich eine zumindest stellenweise deutlich über 50 Meter tiefe und etwa 2 Kilometer breite Rinne, die bis ins südliche Bocholt verläuft. Diese ist mit sandig-kiesigen Schmelzwasserablagerungen gefüllt. Mit den tertiärzeitlichen Schichten an ihrer Basis bestimmt sie das Fließsystem des Grundwassers.
Auf niederländischer Seite ist die quartärzeitliche Rinne wissenschaftlich belegt und gut verfolgbar, ihr kleinerer Teil in Nordrhein-Westfalen wurde allerdings bislang nicht näher untersucht. Diese Wissenslücke soll in naher Zukunft geschlossen werden. Damit es bald ein konkretes Bild von den Wegen gibt, die das Grundwasser im Bereich des Moores nimmt: Wo genau strömt es in das Zwillbrocker Venn hinein, wo und wie wieder hinaus? Wie genau wird das Strömungsverhalten durch den Untergrund bestimmt?
Eisvorstoß in der Saale-Kaltzeit vor etwa 200 000 bis 250 000 Jahren (mit der Lage des heutigen Zwillbrocker Venns)
Um mehr über den Wasserhaushalt im Moor zu erfahren, führte die geologische Landesaufnahme des GD NRW im März 2021 Bohrungen im Naturschutzgebiet (NSG) Zwillbrocker Venn und im 350 Meter östlich gelegenen NSG Ellewicker Feld durch. Die Bohrlöcher wurden anschließend bis in 5 Meter Tiefe zu Grundwassermessstellen ausgebaut; insgesamt 16 auf einer Fläche von rund 2,5 Quadratkilometern. Das erbohrte Material wird in den Laboren des GD NRW eingehend auf seine Zusammensetzung und hydraulischen Eigenschaften untersucht. Die Veränderungen der Grundwasserstände werden im Jahresverlauf regelmäßig aufgezeichnet. „Die erfassten Wasserstände ermöglichen in naher Zukunft ein genaues Strömungsbild des Grundwassers und können mit den weiteren Untersuchungsergebnissen für ein hydrogeologisches Untergrundmodell genutzt werden“, erklärt Wesche.
Einrichten einer Grundwassermessstelle durch Mitarbeiter des GD NRW
Dass sich der Klimawandel im Zwillbrocker Venn so drastisch auswirkt, liegt allem Anschein nach also auch an den geologischen Verhältnissen. „Die Austrocknung ist sicherlich eine Folge der aus den lang anhaltenden trocken-heißen Sommern der letzten Jahre resultierenden Wasserbilanzen“, so Wesche. „Aber auch eine veränderte Grundwasserströmung kann eine weitere Ursache sein, herbeigeführt zum Beispiel durch geänderte Landnutzung, Drainagen oder Wassergewinnung.“
Die geowissenschaftlichen Erkenntnisse des GD NRW und die Klimaprojektionen des LANUV sollen nun von einem/einer hydrogeologischen Sachverständigen ausgewertet werden. Das Ziel sind langfristig geeignete Maßnahmen zum Erhalt des grundwasserabhängigen Biotops und damit auch zum Schutz des Klimas.
Seit über 40 Jahren kommen Flamingos zur Brutzeit ins Zwillbrocker Venn.
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