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Hier informieren wir Sie über die Aufgaben und den Stand der Arbeiten des GD NRW als Leadpartner des EU-Interreg-Projektes „Roll-out of Deep Geothermal Energy in North-West Europe“, kurz DGE-ROLLOUT. Das GD-Team steht dabei in engem Austausch mit seinen 19 Projektpartnern aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland und den Niederlanden.
Zur „Halbzeit“ der Projektlaufzeit erschien der Mid-Term Report (PDF 1 MB) . Zusätzlich berichten wir in unserem gdreport seit 2020 regelmäßig über das Projekt.
Das transnationale Projekt erkundet die geothermischen Potenziale in Nordwesteuropa. Das Ziel: die Tiefengeothermie als klima- und umweltfreundliche Wärmeressource zu etablieren und die CO2-neutrale Wärmeerzeugung zu fördern. Um dies zu erreichen, sind Maßnahmen in verschiedenen Bereichen notwendig. Zunächst muss der Untergrund geologisch erkundet werden, um die tiefengeothermisch nutzbaren Bereiche zu identifizieren und deren Erschließung zu ermöglichen. Technisch erforderliche Innovationen müssen entwickelt und geprüft werden. Darüber hinaus sind die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Zum Start des Projektes erfolgte unter den Projektpartnern ein intensiver Wissensaustausch über tiefengeothermische Erfahrungen und die allgemeine Datenlage. Hierbei wurden auch die geplanten transnationalen Arbeiten besprochen und die Arbeitsgebiete innerhalb der Dreiländerregion Belgien/Niederlande/Deutschland, dem Oberrheingraben und der Haut-de-France-Region im Nordosten Frankreichs konkretisiert.
Das länderübergreifende Erfassen und Auswerten geologischer, geophysikalischer und geochemischer Daten sowie die zusätzliche Datenerhebung mithilfe von Bohrungen und seismischen Messungen sollen die Kenntnisse über ein vielversprechendes tiefengeothermisches Reservoir in Nordwesteuropa nachhaltig verbessern: die unterkarbonische Kohlenkalk-Gruppe des Rhenoherzynischen Beckens.
Ein erstes Fazit: Vereinzelte Tiefbohrungen belegen das geothermische Potenzial dieser Gesteine aufgrund ihrer Tiefe, Mächtigkeit und Ausprägung. Es fehlt jedoch noch an Informationen zu ihrer großflächigen Verbreitung in Nordwesteuropa.
Die Entstehung des Rhenoherzynischen Meeresbeckens begann vor etwa 400 Millionen Jahren. Im Erdzeitalter des Devons und des Karbons wurden hier mehrere Tausend Meter mächtige Sedimente – darunter marine Kalksteine und kalkhaltige Tonsteine – abgelagert. Später folgte die Gebirgsauffaltung dieser Gesteinsschichten; sie bauen heute zu einem großen Teil das Rheinische Schiefergebirge auf. Nach Norden hin tauchen die Gesteinsschichten in große Tiefen ab, was sie für die Tiefengeothermie besonders interessant macht. Ein zentraler Vorteil der mächtigen Karbonatgesteine ist, dass sie durch Verkarstung und stellenweise Dolomitisierung im Laufe der Jahrmillionen eine erhöhte Wasserwegsamkeit und somit ein erhöhtes geothermisches Potenzial erhielten.
Innerhalb des Rhenoherzynischen Beckens ist die unterkarbonische Kohlenkalk-Gruppe großräumig ausgebildet und besitzt in entsprechender Tiefe ein hohes geothermisches Potenzial. Gemeinsam mit seinen Projektpartnern hat der GD NRW diese Schichteinheit als Zielhorizont mit oberster Priorität ausgewählt. Das Wissen über ihre Tiefenlage, Mächtigkeit, Struktur und Fazies wird durch das Projekt vertieft und damit der Explorationserfolg für dieses vielversprechende Reservoir erhöht. Weitere interessante Zielhorizonte für die Tiefengeothermie in Nordrhein-Westfalen sind insbesondere die tiefer liegenden mittel- bis oberdevonischen Massenkalke sowie die kreidezeitlichen Karbonatgesteine des Münsterlandes. Der GD NRW strebt an, diese in weiteren Erdwärme-Projekten zu untersuchen.
Vielversprechendes tiefengeothermisches Reservoir: das Rhenoherzynische Becken
Sowohl in den Archiven des GD NRW als auch bei den Projektpartnern schlummert ein geowissenschaftlicher Datenschatz zur Kohlenkalk-Gruppe. Um aussagekräftige 3D-Modelle zu erstellen, wurde dieser Datenbestand gesichtet und nach Relevanz bewertet. Wesentliche Informationen wurden digitalisiert und veraltete Daten neu interpretiert. Lücken in der Datenlage wurden bzw. werden nach Möglichkeit geschlossen. Diese Sondierung der Datenlage, deren Ergänzung und Auswertung sind essenziell für die Umsetzung des Projektes, auch in Bezug auf die geplanten Bohrungen und seismischen Messungen.
Der neu erstellte Datensatz bildet die Grundlage für ein grenzübergreifendes, großflächiges 3D-Untergrundmodell der Kohlenkalk-Gruppe in Nordwesteuropa. An seiner Erstellung ist ein Großteil der DGE-ROLLOUT-Partner beteiligt. Die vorläufigen Tiefen- und Mächtigkeitskarten aus jedem Partnerland wurden Ende 2020 fertiggestellt. Sie werden nun zu einer flächendeckenden grenzübergreifenden 3D-Tiefen- und Mächtigkeitskarte zusammengefügt. Die Informationen aus diesem Untergrundmodell können dann über ein Geoinformationssystem (GIS) abgerufen und für die geothermale Charakterisierung unterschiedlicher Standorte verwendet werden.
Um geothermisch relevante Merkmale der Kohlenkalk-Gruppe in Nordrhein-Westfalen genauer zu untersuchen, sind bis in das Jahr 2022 vier Erkundungsbohrungen geplant. Die erste Bohrung führte der GD NRW im Januar 2020 bei Heiligenhaus durch. Sie erreichte eine Tiefe von 200 Meter und erbohrte einen Großteil der Heiligenhaus-Formation, die zur Kohlenkalk-Gruppe im Großraum Velbert gehört. Die Gesteine sind nahezu vollständig dolomitisiert und stellenweise stark verkarstet. Die Bohrkernaufnahme und erste geochemische Messungen haben im GD NRW bereits stattgefunden. An der Ruhr Universität Bochum, der TU Darmstadt und in der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG werden weitere geochemische und petrophysikalische Messungen durchgeführt. Die Ergebnisse sollen wichtige Fragen klären: Gehören die Gesteinsschichten bei Heiligenhaus zu einer Karbonatplattform, die sich von Nordfrankreich über Belgien und die Niederlande bis in den Raum Düsseldorf erstreckt? Oder handelt es sich bereits um einen Übergangsbereich mit turbiditischen Schüttungen am Hang der Plattform, wie sie am Ostrand des Velberter Sattels aufgeschlossen sind?
Aus mehr als 170 Meter Tiefe erbohrte verkarstete Kalksteine der Heiligenhaus-Formation aus dem Oberen Kohlenkalk.
Im Herbst 2020 bohrte der GD NRW bei Wülfrath-Düssel am Westrand der Herzkamper Mulde. Die erbohrten 200 Meter des Unterkarbons bestehen zum größten Teil aus schwarzen Schiefern mit unterschiedlich stark ausgeprägten Karbonatanteilen. Hierbei handelt es sich um Tiefseesedimente der Kulm-Fazies. Somit ist nun klar, dass sich der Übergangsbereich zur Tiefsee zwischen den Orten Heiligenhaus und Wülfrath-Düssel befinden muss, die etwa 12 Kilometer auseinander liegen. Proben dieser Bohrung werden derzeit an der Universität Köln untersucht. Auch hier sind wichtige neue Erkenntnisse für die geologische Landesaufnahme zu erwarten. Unter anderem soll das genaue Alter der Gesteine eingegrenzt werden.
Eine rund 100 Meter tiefe Bohrung wurde im Juni 2021 in Eschweiler-Hastenrath niedergebracht. Die hier erbohrten mehr als 349 Millionen Jahre alten Gesteine der Unterkarbon- und Oberdevon-Zeit bestätigen das hydrothermische Potenzial für die Tiefengeothermie. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich größtenteils auf die nur wenige Kilometer nördlich zu erwartenden Gesteinsvorkommen im tiefen Untergrund übertragen. Dort soll zukünftig umwelt- und klimafreundliche Energie aus heißem Tiefenwasser gewonnen und in das vorhandene, bislang durch das Braunkohlekraftwerk Weisweiler versorgte Wärmenetz eingespeist werden.
Eine weitere Bohrung war für die zweite Jahreshälfte 2022 in Duisburg-Rahm geplant, wo die Kohlenkalk-Gruppe nahe der Erdoberfläche vorkommt. Die 130 Meter tiefe Erkundungsbohrung hat den unterkarbonzeitlichen Kalkstein nach nur 11 Metern Lockersediment erreicht. Der Kohlenkalk ist reich an Fossilien und von zahlreichen Spalten – sogenannten Klüften – durchzogen. Entlang dieser Klüfte kann im Untergrund heißes Wasser durchlaufen.
Prognostiziertes Bohrprofil am Kraftwerksstandort Weisweiler
Grafik als PDF (2 MB)
Das GD-Team ist ferner an einem wegweisenden lokalen Projekt beteiligt: Das vom Projektpartner RWE Power AG betriebene Braunkohlekraftwerk Weisweiler bei Aachen soll nach dem Kohleausstieg als „grünes Kraftwerk“ fortbestehen. Hier könnten mittelfristig mehrere geothermische Dubletten das vorhandene Verteilernetz nutzen und einen Teil der Region Aachen mit klimafreundlicher Wärme versorgen.
Unter der Leitung des Projektpartners Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG ist 2022 eine Explorationsbohrung auf dem Gelände des Kraftwerks geplant. Sie wird die Kenntnisse über den komplexen geologischen Aufbau im Bereich der Inde-Mulde bis in eine Tiefe von voraussichtlich 1 500 Meter wesentlich verbessern.
Für die Planung des Bohransatzpunktes hat das GD-Team ein erstes prognostisches 3D-Untergrundmodell erarbeitet. Auf diesem 3D-Modell basierend, erstellt der Projektpartner DMT GmbH & Co. KG derzeit ein thermohydraulisches Modell. Mit diesem sollen mögliche Strömungsprozesse in den potenziellen geothermischen Reservoiren, dem Kohlenkalk sowie dem Massenkalk, dargestellt werden. Die beiden Modelle werden im Verlauf der nächsten Jahre immer wieder an neueste Erkenntnisse angepasst.
Das Video zeigt das geologisch-geotektonische 3D-Modell am Standort des Kraftwerks Weisweiler unterhalb der Tertiär-Basis. Aus oberflächennahen Bohrungen des GD NRW, Oberflächenaufschlüssen und älteren seismischen 2D-Profilen wurden die Informationen zu den Gesteinsschichten, Falten, Störungen und Überschiebungen bis in 9 000 Meter Tiefe interpoliert. Die potenziellen geothermischen Karbonatreservoire sind der unterkarbonische Kohlenkalk sowie der mittel- bis oberdevonische Massenkalk.
Schematischer geologischer Schnitt am Bohrpunkt Weisweiler
Grafik als PDF (450 KB)
Der Artikel „Deep geothermal energy potential at Weisweiler, Germany: Exploring subsurface mid-Palaeozoic carbonate reservoir rocks“ informiert über die Pläne am Standort Weisweiler, den zeitlichen Ablauf, die geologische Situation und das 3D-Modell.
© Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen Landesbetrieb