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Bei geologischen Untersuchungen in einer Ratinger Baugrube entdeckten Mitarbeiter des Geologischen Dienstes NRW Anfang des Jahres fossile Knochen einer Seekuh. Vor 28 Millionen Jahren lebte das Tier hier in einem flachen, warmen Meer unter subtropischem Klima. Nach wissenschaftlichen Voruntersuchungen wurde der Fund heute erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Für die beiden Entdecker, die Geologen Dr. Stephan Becker und Daniel Schrijver, war es ein herausragender Moment: „Wir mussten die schlammbedeckten Fundstücke erst in einer Pfütze waschen, bevor wir erkannten, dass es sich um Seekuh-Knochen handeln könnte.“ Das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland sorgte für eine zügige Bergung der Knochen und beauftragte den Geologischen Dienst NRW im Rahmen der paläontologischen Bodendenkmalpflege mit den weiteren Untersuchungen des fossilreichen Fundhorizontes.
„Das Rheinland beherbergt zahlreiche, zum Teil bedeutende Fundstellen fossiler Pflanzen und Tiere, die vom Geologischen Dienst NRW in Kooperation mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland untersucht werden. Die Bergung der Seekuh-Reste von Ratingen ist ein Beispiel für die effektive Zusammenarbeit von Paläontologen, Archäologinnen und Archäologen, der Baufirma Köster GmbH und dem Service Developer Cube Real Estate GmbH, die vorbildlich Hand-in-Hand gearbeitet haben“, kommentiert Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland.
Es wurden Rippen, Wirbelfragmente und kleinere Knochenstücke geborgen. Deren Präparation erfolgte am Ruhr Museum in Essen. Das Sediment des Fundhorizontes und seiner Umgebung wird derzeit beim Geologischen Dienst NRW eingehend untersucht. Aus den Sanden und Tonen konnte inzwischen eine Vielzahl kleiner Fossilien, wie zum Beispiel Muscheln, Schnecken, Seepocken und Korallen, isoliert werden. Aber auch Haizähne und Gehörsteine von Knochenfischen wurden gefunden. „Die Knochen sind von Seepocken besiedelt und müssen daher monatelang auf dem Meeresboden gelegen haben“, so Christoph Hartkopf-Fröder, Paläontologe beim Geologischen Dienst NRW. „Die zahlreichen Fossilüberreste dokumentieren ein artenreiches Ökosystem. Damit lässt sich der marine Lebensraum der Seekuh rekonstruieren“, kommentiert er erfreut.
Nach Aussage von Dr. Oliver Hampe, Spezialist für fossile Meeressäuger am Museum für Naturkunde in Berlin, gehört die Ratinger Seekuh zu den wenigen gut erhaltenen Zeugnissen dieser Fossilgruppe im Rheinland. Vor 28 Millionen Jahren weideten Seekühe die küstennahen Seegraswiesen im subtropischen Meer ab. Heute gibt es noch vier Seekuh-Arten, die alle in flachen, tropischen Gewässern leben.
Die wissenschaftliche Erforschung des Ausnahmefundes und des Lebensraumes der Seekuh erfolgt im Geologischen Dienst NRW unter Beteiligung von Expertinnen und Experten verschiedener Universitäten und Museen.
Zusatzinformation:
Warum waren die Mitarbeiter vom Geologischen Dienst NRW überhaupt in Ratingen unterwegs? Der GD NRW kartiert derzeit im Raum Düsseldorf Mettmann Heiligenhaus detailliert den geologischen Untergrund. Das Kartierprojekt „Ballungsraum Düsseldorf/Bergisches Land“ ist eines von insgesamt 12 Projektgebieten der integrierten geologischen Landesaufnahme. Neben Flach- und Tiefbohrungen gehört die Aufnahme von Steinbrüchen, Weganschnitten oder temporären Baugruben zum Aufgabenspektrum bei der Geländeaufnahme.
Kurzportrait: Wir über uns!
Der Geologische Dienst NRW ist die geowissenschaftliche Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit mehr als 60 Jahren erheben wir geowissenschaftliche Informationen im gesamten Bundesland, bereiten sie auf und machen sie für die Praxis nutzbar. Diese Basisinformationen dienen der Sicherung eines gesunden Lebensraumes, für dessen nachhaltige Entwicklung wir uns einsetzen. Sie sind die Grundlage für unser umfassendes Beratungsangebot zu den Themenfeldern Geologie, Boden, Gesteinsrohstoffe, Grundwasser, geophysikalische und geotechnische Untergrundeigenschaften, oberflächennahe und tiefe Geothermie sowie Endlagersuche für radioaktive Abfälle. Wir ermitteln Daten zur Risikovorsorge bei Gefahren, die vom Untergrund ausgehen, und betreiben das landesweite Erdbebenalarmsystem. Unsere Erkenntnisse stellen wir der Politik und Verwaltung, der Wirtschaft, den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung digital oder analog durch Geo-Informationssysteme, Karten, Daten und Schriften. Viele dieser Informationen sind über unsere Onlinedienste und Datenportale frei zugänglich.
Bilder zum Download:
Rekonstruktion der 28 Mio. Jahre alten Ratinger Seekuh und ihres Lebensraumes (Bild: Denise Seimet): Seegraswiesen dienen als Futterquelle, Knochenfische und Haie begleiten die Seekuh. Am Meeresboden die von Seepocken besiedelten Knochen eines toten Exemplares. (2 MB)
Die Entdecker Dr. Stephan Becker und Daniel Schrijver (GD NRW), Seekuh-Spezialist Priv.-Doz. Dr. Oliver Hampe (Museum für Naturkunde, Berlin) und Paläontologe Christoph Hartkopf-Fröder (GD NRW; v. l. n. r.) begutachten die Seekuh-Knochen. (2 MB)
Die Baufirma hilft mit einem Bagger, in der Baugrube vorsichtig ein Planum für die spätere Freilegung und Bergung der Seekuh-Knochen anzulegen. Die Fundstelle ist weiß gestrichelt markiert. (2 MB)
Auf dem fertig angelegten Planum werden die Knochen vorsichtig freipräpariert. Die Fundstelle wird nun eingemessen und die Lage der einzelnen Knochen dokumentiert. (2 MB)
Nach Bergung der Seekuh-Knochen: Drohnen-Aufnahme der Baugrube durch das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Die Stelle, an der die Knochen ursprünglich lagen, ist weiß gestrichelt markiert. (2 MB)
Das sandig-tonige Sediment, in dem die Seekuh-Knochen eingebettet sind, ist äußerst fossilreich. Mehr als 200 verschiedene Fossilarten zeugen von einem längst vergangenen marinen Ökosystem. (2 MB)
Seepocken haben die Knochen besiedelt. Ein Zeichen dafür, dass die Knochen vor ihrer Einbettung mehrere Monate oder länger unbedeckt auf dem Meeresboden lagen. (2 MB)
Präparation am Ruhr Museum in Essen: Die zuvor gewässerten Bruchstücke der Seekuh-Knochen werden mithilfe einer Zahnbürste vorsichtig vom umgebenden Sediment befreit. (2 MB)
Präparation am Ruhr Museum in Essen: Die gesäuberten und getrockneten Knochen-Bruchstücke werden vorsichtig zusammengesetzt. Meist lassen sich komplette Rippen rekonstruieren. (2 MB)
28 Mio. Jahre alte Rippe der Ratinger Seekuh formvollendet schön. (1 MB)
Die Verbreitung von Land und Meer zur Zeit des Oligozäns vor 28 Mio. Jahren , dargestellt auf der heutigen topographischen Grundlage. Der Lebensraum der Ratinger Seekuh war ein küstennahes Flachmeer. Das Festland befand sich östlich davon. (1 MB)
Präparation am Ruhr Museum in Essen: Die zuvor gewässerten Bruchstücke der Seekuh-Knochen werden vorsichtig mit einer Zahnbürste vom umgebenden Sediment befreit und anschließend zum Trocknen ausgelegt. (5 MB)
Präparation am Ruhr Museum in Essen: Nachstellen der Fundsituation – entsprechend der vor der Bergung dokumentierten Lage werden die fertig präparierten Seekuh-Knochen auf sauberem Untergrund ausgelegt. (6 MB)
Präparation am Ruhr Museum in Essen: Bereits das wenige an den Seekuh-Knochen haftende Sediment enthält zahlreiche Überreste mariner Meeresbewohner, wie Muscheln, Schnecken und Korallen – Zeugen des damaligen Ökosystems. (6 MB)
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland: Die nach der Bergung der Seekuh-Knochen erfolgte Drohnen-Aufnahme von der Baugrube. (13 MB)
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